Welcome little Mia - Väter im Kreißsaal
Anmerkung: Als guter Freund von Bo verfolge ich den Blog natürlich seitdem er am Start ist. Ich lese so gut wie alle Einträge und konnte mich schon einmal reinfühlen, wie es wohl sein würde, wenn unsere Kleine das Licht der Welt erblickt. Die Geburt ist für die Eltern ein wahnsinnig intimer und privater Moment. Trotzdem möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass dieser Blog eine Sammlung von Themen enthält, die es werdenden Eltern einfacher macht, sich die Situation schon einmal vorzustellen oder denjenigen, die Eltern sind, die Gelegenheit geben, den Moment noch einmal aus anderer Perspektive miterleben zu können. Außerdem finde ich es schön, diesen Moment zu konservieren und später die Möglichkeit zu haben, den Tag der Geburt gemeinsam mit meiner Tochter Revue passieren zu lassen.
Jeder hat seine eigene Meinung, ob und wie viel man vom Privatleben in der Öffentlichkeit preisgegeben möchte. Ich für meinen Teil, stelle mich daher unter einem Pseudonym vor. Wenn ihr die Geschichte spannend findet, werde ich auch noch weitere Einblicke in das Leben unserer kleinen Familie hier auf dem Blog stellen. In diesem Sinne: Hi, ich bin Max.
Es geht los!
Wir hatten gerade die 37. SSW hinter uns gebracht. Die Schwangerschaft ist soweit gut verlaufen, alles ist eingerichtet, Windeln sind gekauft, Kinderwagen und MaxiCosi warten auf ihren ersten Einsatz. Die letzten Tage hatte meine Frau ab und zu das Gefühl, dass sich etwas verändert. Die Gefühle sollten sich im Nachhinein als echte Wehen und nicht, wie vermutet, als Senkwehen herausstellen. Wir haben jedoch an dem Abend bevor es losging wahrlich nicht damit gerechnet, dass wir am nächsten Tag schon Eltern sind!
Es ist 03:45 Uhr in der Nacht. Ich werde relativ unsanft durch das Blenden der iPhone-Taschenlampe geweckt. „Schatz, ich glaub’ es geht los. Drei Wehen in 20 Minuten. Wir sollten losfahren.“ Bevor ich mich bewegen konnte, lief meine Vorstellung von der Geburt innerhalb von Sekunden vor meinem inneren Auge ab. Ok, ruhig bleiben. Es ist alles gepackt. Aufstehen, Sachen ins Auto, losfahren, Krankenhaus, Geburt, Nachsorge und wieder nach Hause. Hört sich doch einfach an?!
Wir stehen beide auf. Meine Frau gibt einen kurzen Laut von sich. Was ist jetzt passiert? „Oh Gott, ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt“ Kurze Erinnerung an den Geburtsvorbereitungskurs: Wenn die Fruchtblase platzt, sollte die Frau liegend transportiert werden. Das kann ich nicht. Also 112 anrufen, Krankenwagen bestellen und abwarten. 10 Minuten später stehen 2 Sanitäter in meinem Wohnzimmer und fangen an, meine Frau auf einem Transportstuhl festzumachen. Das sah vor 20 Minuten vor meinem inneren Auge irgendwie alles anders aus. Na gut, neue Situation, kriegen wir aber alles hin. Meine Frau wird also im Krankenwagen transportiert, ich im Auto mit den ganzen Klamotten hinterher.
Als ich ankomme, ist meine Frau bereits im Kreißsaal und am CTG (misst die Wehentätigkeit und Puls des Babys) angeschlossen. Eine Hebamme ist mit im Raum. Sie sieht mich an und teilt mir mit, dass alles sehr gut aussieht. Als ich meine Frau anschaue, hab ich weniger das Gefühl, dass alles wunderbar ist. Sie sieht jetzt schon ziemlich geschafft aus und hat starke Schmerzen. Na klar, eine Geburt ist schmerzhaft. Das hat jeder schon mal gehört. Wenn es aber um die eigene Frau und das eigene Kind geht, ist das schon ein anderes Gefühl.
Der Arzt kommt rein. „Oh ja, CTG sieht gut aus. Kopf liegt richtig. Das wird eine einfache Geburt“. Sah schon wieder anders aus für mich. Das sah wirklich alles andere als einfach aus, was meine Frau da gefühlt haben muss. „Drüben ist noch eine andere Geburt. Die wird etwas komplizierter, da müssen wir uns jetzt erstmal drum kümmern.“ Bitte? Das ist mir doch egal, was irgendwo anders stattfindet!? Meine Frau bekommt hier gerade ihr erstes Kind, sie bleiben gefälligst hier und unterstützen sie dabei. Hab ich zwar nicht gesagt, aber gedacht. Zum Glück wurde noch eine Hebamme zum Dienst gerufen, die uns dann begleitet hat. Das war schon etwas unglücklich. Ich habe mich etwas verloren gefühlt, als meine Frau und ich eine halbe Stunde alleine im Kreißsaal lagen. Ich sitze hilflos daneben, kann nicht helfen und es ist keiner da, der wenigsten weiß, was zu tun ist.
Was kann ich tun? Ruhig bleiben, da sein, gut zureden, unterstützen. Mehr geht nicht. Ich kann meiner Frau nichts abnehmen. Ich kann mir die Schmerzen nicht einmal vorstellen. Ich halte die Hand meiner Frau und bin einfach nur da. Ich hole ein bisschen Wasser, bringe Traubenzucker und frage ob sie noch irgendwas braucht. „Du machst das gut; Schatz, zwischen den Wehen kannst du dich entspannen; Ruhig atmen mein Schatz, es ist alles gut.“ Aus der Distanz betrachtet, hört sich das nach platten Phrasen an. Aber erstens war ich selbst so aufgeregt und hilflos, dass mir nichts anderes eingefallen ist und zweitens hat mir meine Frau nach der Geburt gesagt, dass das genau richtig war, wie ich es gemacht hab. Puh, zum Glück.
Die Hebamme hat sich jetzt zu uns gesetzt. Es ist 08:00 Uhr. Meine Frau liegt jetzt seit 4 Stunden im Kreißsaal und gut 2 Stunden waren wir alleine in dem Raum. Die Hebamme und der Arzt haben nur sporadisch mal reingeschaut. Ich bin jetzt etwas beruhigter, dass die Hebamme nicht mehr weggeht und bei uns bleibt. Die Wehen werden stärker. Das CTG schlägt jetzt wie wild aus und ich merke an den Geräuschen meiner Frau, dass es zunehmend schmerzhafter wird. „Und bei der nächsten Wehe pressen Sie einfach mal mit!“
Jetzt geht’s los, denke ich. Aber wo ist der Arzt? Immer noch kein Arzt da. Kann doch nicht sein? „Es geht aber nicht schon los, oder?“ Meine Frau macht den Eindruck, als ob Sie keine Kraft mehr hat. Es ist erstaunlich, was so ein Körper leisten kann, wenn er eigentlich schon am Ende seiner Kräfte ist.
Jetzt geht’s also richtig los. Die Arbeit meiner Frau beginnt jetzt erst so richtig. Ich kann immer noch nicht helfen. Ich sitze immer noch daneben und wiederhole einfach immer wieder das Gleiche. Ich bin da, halte die Hand. Mehr geht nicht. Es wird spannend. Die Hebamme kann den Kopf sehen. Immer noch kein Arzt da. Was ist da los? Naja, die Hebamme wird schon wissen, was sie macht. Sie greift zum Telefon, ruft eine Ärztin an. „Du kannst jetzt kommen, bitte“ Endlich. Ein Arzt kommt. Ich bin beruhigt. Durch die nächste Wehe wird mir dann wieder bewusst, dass das Härteste für meine Frau jetzt unmittelbar bevorsteht. Ich bin jetzt wahnsinnig aufgeregt. Gleich ist es soweit. Geht alles gut? Überstehen beide die Geburt gut? Ich kann mich mit den Fragen kurz beschäftigen. Meine Frau hat dafür keine Zeit und ist wie in Trance. Ok, wieder unterstützen. Meine Fragen werden sich alle aufklären, jetzt geht es erstmal darum, ihr in den bislang schmerzhaftesten Minuten ihres Lebens zur Seite zu stehen.
Ich sitze mit auf dem Bett. Ich kann nicht viel sehen. Möchte ich glaub’ ich auch nicht. Aber ich kann sehen, wie sich das Köpfchen immer weiter rausschiebt bzw. wie meine Frau das Köpfchen immer weiter Richtung Licht drückt. Immer weiter, immer ein kleines Stück weiter. Mit jeder Wehe kommt die Geburt des kleinen Wunders näher. Die Hebamme und die Ärztin beruhigen meine Frau, geben Hinweise, wie Sie am besten pressen soll. Ich fühle, dass Sie das wirklich klasse macht. Die Schmerzen, die meine Frau gerade spürt, mag ich mir nicht ausmalen. Es hört sich jedenfalls nach Höllenqualen an.
Der Kopf ist da! Da ist es! Jetzt ist es ganz da! Es ist geschafft! Oh Gott, bei mir laufen die Tränen. Unsere Tochter ist auf der Welt. Sie sieht ganz zerknautscht aus und ist so unglaublich süß. Keine 10 Sekunden später liegt die Kleine auf dem Bauch ihrer Mutter und wir heulen beide. Mir laufen gerade beim Schreiben schon wieder die Tränen. Ich kann jedem Mann versprechen, dass man spätestens bei der Geburt des Kindes das erste Mal heult. Kannste nix machen. Kommt einfach und ist auch völlig in Ordnung. Der bislang schönste Moment darf auch von Freudentränen begleitet werden.
Meine Frau ist fix und fertig. Wir gucken uns beide an - Tränen in den Augen. „Das ist unsere Tochter, Schatzi, kannst du dir das vorstellen?“ Unglaublich. Unbeschreiblich. Nie vorher da gewesen. Nie vorher so gefühlt. Unser gemeinsames Kind.
Der Papa darf natürlich die Nabelschnur durchschneiden. Dann kommen die obligatorischen Untersuchungen. Die Ärztin checkt alles durch. Sieht alles gut aus, das Baby ist gesund. Nochmal Erleichterung. Während sich die Ärztin und die Hebamme um die Nachgeburt kümmern, liegt die Kleine auf meiner Brust und wir kuscheln das erste Mal. Was für ein Moment!
Kurz darauf liegen wir im Kreißsaal und uns wird der erste Moment als Familie geschenkt. Keiner im Raum, nur meine Frau, unsere Tochter und ich. Es ist alles noch etwas unwirklich. Jetzt sind wir eine Familie. Jetzt haben wir eine Tochter. Es ist vollbracht. Wir freuen uns auf alles, was da kommen mag. Es wird sicher nicht alles einfach, aber zusammen schaffen wir das. Wir sind eine Familie.
Euer
Max