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Welcome little Max - Väter im Kreißsaal

Ich war schon bei einigen Geburten dabei – von meiner Eigenen einmal ganz abgesehen. In Erinnerung bleibt sicherlich die Geburt von Rachels und Joeys Emma in Friends – genauso wie zahlreiche andere Hollywoodschmonzetten oder die ein oder andere Romanze mit Matthias Schweighöfer. Nicht in die Liste mitaufnehmen möchte ich als Arnold Schwarzenegger in Junior sein kleines Mini-Me zur Welt bringt oder als bei Men in Black eine Frau auf der Rückbank ihres Chevy ein niedliches Alien mit langen Tentakeln gebärt.

Nun gut, bis zum Herbst 2016 hätte ich gesagt, dass eine Geburt definitiv immer mit einer geplatzten Fruchtblase, einer wilden Fahrt im Taxi zum Krankenhaus und wenige Minuten später mit einem schreienden Säugling zu tun hat. Zwar nicht schmerzlos, aber schnell. Und so schlimm kann es ja doch nicht sein, schließlich sah Jennifer Aniston auch zum Ende hin immer noch hervorragend aus.

Soweit, so gut – das einzige, was die Geburten in Hollywood mit der unseres Sohnes gemein haben sollte, war dann im Grunde aber auch nur die geplatzte Fruchtblase. Diese ist aber auch nicht mitten im Supermarkt gesprungen, sondern morgens um viertel nach fünf – im Bett. „Oh je…“ sind die Worte, mit denen meine Frau sechs Tage nach dem rechnerischen Entbindungstermin die Geburt eröffnet und woraufhin ich panisch im Kreißsaal unseres auserwählten Krankenhauses anrufe um zu fragen, was wir denn nun tun sollen. „Erst einmal in Ruhe duschen und frühstücken und dann gemütlich ins Krankenhaus fahren“, meint die Hebamme. „Ganz sicher nicht!“, meint meine Frau. Dass, wenn die Fruchtblase springt, auch Fruchtwasser kommt, ist ja selbstverständlich – aber so viel??!!? Panisch denke ich an mein neues Auto und polstere den Beifahrersitz vorsichtshalber mit Saugvorlagen und Windeln. Und noch ein Saunatuch drüber. Sicher ist sicher. Wir packen alles ein um dann relativ entspannt auf die Autobahn aufzufahren. Als ich noch so überlege, was denn nun ist, wenn die Presswehen innerhalb der nächsten viertel Stunde mitten auf der A7 losgehen, reißt mich meine Frau aus den Gedanken: „Wir haben den Mutterpass vergessen!“ Wir! Mutterpass! Vergessen! Also, nächste Abfahrt wieder runter, zurück nach Hause, Mutterpass einpacken und 20 Minuten später sind wir wieder an der gleichen Stelle. Zeitreise kurz vor Niederkunft der Ehefrau!

Im Krankenhaus angekommen wird meine Frau erst einmal ans CTG angeschlossen und ich habe Zeit, das Auto vom Storchenparkplatz an der Notaufnahme auf einen regulären entlang der Straße umzuparken. Viel Zeit, denn dieses CTG sollte nicht das letzte sein… Aber da es ja noch früh morgens ist, sind wir uns beide sicher, noch an diesem Tag Eltern zu werden und unseren kleinen Schatz in den Armen zu halten. Der erste Schichtwechsel der Hebammen steht nach dem Mittag an und bei meiner Frau machen sich, bis auf das ein oder andere Ziehen, noch keine weiteren Geburtsanzeichen bemerkbar. Das von den Hebammen empfohlene Spazierengehen ist aber doch zu beschwerlich und bei Nieselregen macht es auch nicht allzu viel Spaß. Also verbringen wir die Zeit auf Station, gehen auf und ab, immer wieder zum CTG – so vergeht der Tag insgesamt recht zäh, einerseits immer mit der Hoffnung, dass es nun bald richtig losgeht und andererseits mit der Befürchtung, dass am nächsten Morgen gegen 6 Uhr die Geburt dann doch eingeleitet werden muss.

Zum Abend hin nehmen die Wehentätigkeiten dann zu. Und so langsam merke ich, welche Arbeit meine Frau hier leisten muss. Und auch bei mir steigt die Anspannung und eine erste, mentale, Erschöpfung macht sich breit. Den ganzen Tag über habe ich, wenn wir zum CTG im Kreißsaal waren, schon die anderen Frauen laut stöhnen gehört – und es waren an diesem Tag verdammt viele, alle drei Geburtenzimmer waren fast durchgängig belegt. Eine Frau hat ihr Kind in ihrem Badezimmer auf Station, die andere in der Entspannungswanne im Kreißsaal zur Welt gebracht. Es ist ein permanenter Geräuschpegel zu vernehmen – drei CTGs die im Wehenzimmer durchgehend pochen, dazu die drei werdenden Mütter, welche an den CTGs angeschlossen sind und mit jeder Wehe lauter werden und dann noch die Geräusche aus den Geburtenzimmern, gepaart mit den erlösenden Schreien der Neugeborenen.

Ab 22 Uhr sind wir permanent im Wehenzimmer und meine Frau hängt fast durchgehend bis 04 Uhr in der Früh am CTG – diese sechs Stunden sind nicht nur für meine Frau extrem anstrengend, sondern auch für mich, da ich rund alle 5 Minuten in die Situation komme, für meine Frau in den Wehen nicht viel mehr zu tun, als ihre Hand halten, ihr den Rücken zu massieren und ihr gut zuzureden. Und das, obwohl ich merke, was für Schmerzen sie hat und dass auch die Kräfte immer weiter nachlassen. Gegen zwei Uhr stellt sich kurz der schichthabende Arzt vor und meint, dass er für uns zuständig ist, sofern das Baby noch bis sechs Uhr zur Welt kommt – dann endet seine Schicht. Zu diesem Zeitpunkt glaube ich nicht mehr wirklich, dass das bis sechs Uhr noch was wird.

Kurz vor vier Uhr in der Früh schickt mich die Hebamme aus dem Wehenzimmer in den Wartebereich, da alle Frauen im Raum untersucht werden sollten. Im Wartebereich merke auch ich, dass ich so langsam am Ende meiner Kräfte bin. Seit 24 Stunden auf den Beinen, kaum etwas gegessen und nur wenig getrunken und eine permanente Beschallung aus allen Richtungen – immer gepaart mit der Sorge um meine Frau und dem Wissen, dass ich ihr nicht viel helfen kann.

Als mich die Hebamme nach zehn Minuten abholt, kommen mir vor Freude die Tränen: „Der Muttermund bei deiner Frau ist sechs Zentimeter geöffnet. Sie geht jetzt nochmals in Ruhe zur Toilette und dann kommt ihr bitte in das hinterste Geburtszimmer.“ Es geht nun also doch tatsächlich richtig los! Der Weg zur Toilette ist beschwerlich und ich weiß nicht mehr, wie wir es überhaupt noch von dort bis in das hinterste Geburtszimmer geschafft haben. Dort angekommen kehrt mit dem Schließen der Tür endlich die ersehnte Ruhe ein und meine Frau verspürt sofort den Drang zu pressen. Nach einer weiteren Untersuchung gibt die Hebamme grünes Licht, der Muttermund ist komplett eröffnet.

Ich freue mich, dass sich meine Frau für den Geburtshocker entscheidet – in dieser Position kann ich meine Frau in der nächsten halben Stunde zumindest unterstützen. Auch diese 30 Minuten sind nochmal äußerst intensiv – aber zumindest haben wir die Gewissheit, dass wir bald unseren kleinen Schatz in den Armen halten. Und plötzlich geht es dann auch alles ganz schnell: um 05:05 Uhr, fast 24 Stunden nach dem Blasensprung, erblickt unser Baby das Licht der Welt! Dieser Moment, als die Hebamme unseren Sohn meiner Frau in die Arme legt und ich ihn am Arm streicheln kann, fühlt sich auch heute immer noch so surreal an. Ab jetzt sind wir zu dritt! Einerseits erleichtert, dass unser Schatz gesund zur Welt gekommen ist und andererseits wahnsinnig stolz auf meine Frau, was sie die letzten Stunden und auch schon Monate geleistet hat! Hut ab vor allen Frauen, die Kinder zur Welt bringen!

Saugvorlagen, Windeln und Saunatuch waren übrigens eine gute Idee – der Autositz hat nichts abbekommen… Und wenn, dann wäre es eine schöne Erinnerung an dieses unvergessliche Erlebnis gewesen! ;-)

Euer

René


René lebt mit seiner Frau Angela in Hannover und ist seit 6 Monaten Vater des kleinen Max.