Wann ist ein Mann ein Mann?

Mitte der Siebziger Jahre fing es an, dass es immer häufiger wurde, dass auch der werdende Vater „Einlass“ in die „heiligen Hallen“- den Kreißsaal erhielt.

Ich bin mir nicht ganz sicher, wieso es bis dato nicht selbstverständlich war, dass der zukünftige Vater bei seiner Frau sein durfte um diese zu unterstützen und bei der Geburt dabei zu sein. Ich denke, die Tradition der Hebammenarbeit als reine Frauensache spielte dabei lange eine große Rolle. Der stolze Vater bekam das Kind nach der Geburt durch eine Glasscheibe zu sehen und durfte nach ein bis zwei Tagen mit der Mama zusammen im Neugeborenenzimmer das erste Mal sein Kind im Arm halten. 

Heute nicht mehr vorstellbar, zumindest nicht in Deutschland. - Im Gegenteil. -  

Der Wunsch der Frau, während der Geburt nicht alleine zu sein hat oberste Priorität. Daher erleben wir es kaum noch, dass eine Frau alleine im Kreißsaal ist. 

Nun stellt sich jedoch die Frage: Möchte der werdende Vater denn unbedingt mit dabei sein oder geht er zum Gefallen seiner Frau mit in die Geburt? Welcher Mann gibt schon gerne zu, sich nicht so sicher zu sein ob er der unbekannten Situation gewachsen ist? Seine Frau zu sehen, geplagt von starken Schmerzen, dass ein oder andere laute Stöhnen, vielleicht sogar ein Schreien und natürlich Fruchtwasser, Blut und manchmal auch andere Körperausscheidungen.

Ich kann aus Erfahrung sagen, dass ich wirklich häufig erlebe, wie unwohl sich der Partner während der Geburt fühlt. Man spürt ein starkes Unbehagen und gäbe es eine portable „Beamstation“ in ein anderes Universum oder einen blinkenden, roten PAUSE Button, ich bin sicher, beides würde regemäßig genutzt werden.

Ja klar, jetzt lässt sich schnell sagen: „Was für ein Waschlappen. Er ist genauso daran „Schuld“, hat gefälligst dabei zu sein und Hilfe zu leisten, das Weichei.“

Sowohl aus Sicht der Hebamme als natürlich auch aus Sicht der Frau, Gedanken die sehr häufig auftauchen.

Doch ist das fair? Ich finde nicht.

Ich gebe regemäßig Geburtsvorbereitungskurse am Wochenende.

Die geballte Ladung Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das Neugeborene an 2 Tagen. Wenn wir ehrlich sind, sitzt in Großteil der Partner in diesem Kurs, um der Frau einen Gefallen zu tun und weil es eben erwartet wird. Das typische Bild, das ich vor mir habe: Die Schwangere sitzt mit Block und Kugelscheiber aufmerksam mir zugewandt, die Männer lümmeln sich in das Stillkissen, träumen geistesabwesend von anderen Dingen und nehmen stillschweigend das verlorene Wochenende in Kauf.

Aber wenn es zum Thema Kreißsaal und Geburt kommt, dann regen sich die Körper, die Ohren werden gespitzt und ob man es glaubt oder nicht, mindestens einer fragt jedes Mal: „Wie kann ich meiner Frau dabei am besten helfen?“. Großartig. 

Das ist den meisten Männern nämlich wirklich wichtig. Sie wollen helfen. Sie wollen tatkräftig unterstützen und das Gefühl vermitteln alles zu tun, was in ihrer Macht steht. 

Ich mache den Männern deutlich, dass es eigentlich schon großartig ist, nicht nur körperlich im Saal anwesend zu sein sondern auch geistig. Und das während einer im Durschnitt 12-stündigen Geburt absolutes Durchhaltevermögen gefragt ist. Aber was soll ER tun?

Mut machen? Anfeuern? Die Hand halten? Mit atmen?

Einfach nur mal ein Glas Wasser reichen. Ihr einen Kuss geben und ihr sagen, dass sie großartig ist und so stark und tapfer. Ihr sagen, wie stolz er auf sie ist, dass sie so eine Kämpferin ist.

Und was ist, wenn er das nicht kann?! Wenn er sich nicht im Stande sieht seine Frau leiden zu sehen und der Situation nicht gewachsen zu sein scheint? Der Konflikt mit sich selber. Stark sein zu wollen, aber schwach zu sein. Eventuell zu versagen. Für seine (geliebte) Frau, sein Kind und andere eine Memme zu sein. 

Wie soll er ihr das sagen?! Er will, kann aber nicht. 

Sie wird wahrscheinlich sauer sein und traurig. Auch das spreche ich im Kurs an.

Es ist mehr als mutig und ehrlich, wenn sich ein Partner dafür entscheidet nicht bei der Geburt dabei zu sein. Nicht unbedingt weil es ihm egal ist oder er sich nicht interessiert. Eher aus Angst, nicht ausreichend helfen zu können. Ich appelliere deswegen an die Frauen, nicht böse zu sein oder vor allem nicht enttäuscht zu sein, wenn ihr Mann so ehrlich ist und sagt, dass er es nicht schafft oder denkt, dass er es nicht schafft. 

Aus Erfahrung weiß ich, dass fast jede Frau ihren Mann an ihrer Seite haben möchte. Aber wenn man sich überlegt, dass er dabei ist, obwohl er sich überwinden muss, er sich nicht wohl fühlt und vielleicht sogar Ängste erleidet, die auch gerne nach der Geburt tief verankert im Kopf verbleiben, dann hat niemand etwas davon.

Seht es lieber als Chance jemanden mitzunehmen, der es herzlich gerne macht, der euch eine große Stütze sein kann. Egal ob es die eigene Mama, Schwiegermutter, Schwester oder Freundin ist. Nehmt jemanden mit, der für euch von nutzen ist, der euch unterstützen könnte oder Kraft geben kann.

Mein Mann und ich hatten eine Abmachung. Auch er war sich bis kurz vor der Geburt nicht sicher, ob er es schafft dabei zu sein. Ich hab ihm die Option offen gelassen und ihm ehrlich gesagt, dass ich mich freuen würde. Auch weil er das Risiko eingeht einen absolut magischen Moment in seinem Leben zu verpassen. Jedoch wäre ich nicht böse oder traurig, sollte er merken, dass er es nicht kann. Ich bat ihn jedoch es zu probieren. Er sollte mitkommen und würde er merken, gehen zu wollen, würde die Türe offen stehen. Genauso hielt ich mir die Option offen, ehrlich zu sagen, wenn mich seine Anwesenheit unsicher machen würde oder ich mich unwohl fühlen würde.

Dazu kam es nicht. Er war bei mir und blieb bis zum Schluss. Er war die absolut beste und großartigste Hilfe die ich mir hätte vorstellen können.

Und auch für ihn war es rückblickend ein wunderbares Ereignis.

Paare bei denen die Kommunikation nicht stimmt, gehen oft verärgert und mit negativen Gefühlen zueinander aus einer Geburt heraus. Mangelnde Kommunikation vor der Geburt führt u.a dazu, dass er z.B. ununterbrochen mit dem Handy spielt, „wichtige“ Anrufe tätigt oder sogar den Laptop auspackt um seine Doktorarbeit zu schreiben.

Oder er rennt ständig raus und rein, findet keine Ruhe oder filmt und kommentiert alles. Ein persönliches Erlebnis schießt aber definitiv den Vogel ab: Er spielt 8 Stunden Schach auf dem Ipad, während sie atmet und kämpft und alles gibt und er noch nicht einmal aufschaut. 

Aber auch anders herum kommt es vor, dass sie ihn die ganze Zeit anschnauzt, nichts könne er richtig machen, er soll sie bloß nicht anfassen und jeder Kommentar von ihm wird belächelt oder beschimpft.

Um ähnliche Situationen zu vermeiden, kann ich jedem Paar nur raten sich vor der Geburt zusammen hinzusetzen, um sich offen und ehrlich über Erwartungen, Vorstellungen und Ängste zu unterhalten und dann bin ich ziemlich sicher, dass die Geburt für beide Teile eine wunderschöne und einmalige Erfahrung wird.

Eure Kathi


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Unsere Gastautorin Katharina ist 31 Jahre alt und Hebamme. Sie hat offen und ehrlich über ihre Probleme nach der Geburt ihres Sohnes Leonard gesprochen, danke dafür. Falls eine unter euch noch eine Nachsorgehebamme in Düsseldorf sucht, dann schreibt ihr doch an Hebamme-katharina@online.de oder folgt ihr auf Instagram unter @kleos_diary.